Kinderverzicht fürs Klima?

Was bringt das wirklich? In letzter Zeit erreichen mich häufiger Fragen und Kommentare, ob denn auf eigene Kinder zu verzichten nicht das beste fürs Klima wäre. Teilweise wird sogar behauptet, dass es die wirkungsvollste Klimaschutzmaßnahme wäre. Mich hat es etwas stutzig gemacht, worauf diese Annahme beruht. Daher habe ich recherchiert und mir die am häufigsten zitierte Studie einmal angesehen. Dabei sind mir einige sehr interessante Dinge aufgefallen.

Die Informationen beziehen sich auf die Studie von Seth Wynes und Kimberly Nicholas. Sie haben berechnet, dass auf ein Kind zu verzichten pro Jahr 58,6 Tonnen CO2-Äquivalente einspart. Bei einem Leben ohne Auto kommt die Studie auf ein Einsparpotenzial von 2,4 t pro Jahr. Der Verzicht aufs Fliegen spart angeblich 1,6 t.

Zum Vergleich: ein Mensch in Deutschland verursacht etwa 11 t pro Jahr.

Ist Kinderverzicht fürs Klima also so effektiv? Woher kommen diese wahnsinnig hohen Zahlen?

Sieht man sich das Ganze genauer an, wird klar, warum die Zahl im Vergleich so hoch ist. Die Autor*innen beziehen sich auf die durchschnittlichen Emissionen der Menschen in den 3 Ländern USA, Russland und Japan.

Sie berechnen nicht den Impact eines einzelnen Menschen, sondern beziehen auch deren Kinder und Kindeskinder bis ins Jahr 2400 mit ein. Zudem nehmen sie an, dass die Emissionen in jedem Lebensjahr und auch in Zukunft immer gleich bleiben, was schlichtweg unrealistisch ist. Unsere Emissionen sinken ja heute schon, wenn auch noch zu langsam. Ein Baby verursacht deutlich weniger Treibhausgase als ein Erwachsener. Alle anderen Berechnungen wie beim Verzicht aufs Auto oder Fliegen beziehen sich aber immer auf eine Person und ein Jahr, was den Vergleich verzerrt und eigentlich unmöglich macht.

Natürlich verursachen unsere Nachkommen Emissionen, das ist nicht von der Hand zu weisen. Dies mit einer völlig unrealistischen Berechnung beweisen zu wollen, ist aber wenig zielführend.

„Wir brauchen nicht weniger Leben, sondern klimaverträgliches Leben.“ sagt der Ethiker und Ökonom Dominic Roser sehr treffend.

„Einfach“ keine Kinder zu bekommen, weil man dann ja das angeblich bestmögliche fürs Klima tut, verschiebt die Debatte gefährlich. Unser Ziel ist es, möglichst schnell null Emissionen zu verursachen. Dafür ist ein Wandel in sämtlichen Bereichen nötig. Dann ist es egal, ob vier Personen null Emissionen verursachen, oder zwei. Am Ende sind es immer noch null.

Kinderverzicht fürs Klima hilft zudem nicht akut. Bis wir positive Auswirkungen spüren würden, gehen Jahre ins Land, mindestens eine Generation. Zeit die wir nicht haben.

Andere Maßnahmen, etwa das Abschalten der Kohlekraftwerke, die Reduktion des Fleischkonsums, energiesparende Heizsysteme oder eine klimaneutralere Mobilität, ließen sich teilweise sofort, auf alle Fälle aber wesentlich schneller ergreifen.

Ob man Kinder bekommen möchte ist immer eine persönliche Entscheidung. Ich verstehe vollkommen, wenn jemand in diese Welt keine Kinder setzen möchte, lieber adoptieren mag oder einfach generell keinen Nachwuchs bekommen kann oder möchte. Mir ist nur wichtig, dass wir den Diskurs nicht auf Basis von irreführenden Berechnungen führen.

Quellen:

https://utopia.de/news/keine-kinder-kriegen-fuers-klima-ethik-experte-beleuchtet-rechnung-neu_521035/

https://www.quarks.de/umwelt/klimawandel/wie-klimaschaedlich-sind-kinder-wirklich/

Titelbild von Caroline Hernandez auf Unsplash

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert